Kein preußischer Kürassierdegen !

Claus P. Stefanski


Bei Betrachtung der nachstehenden Blankwaffe kommt möglicherweise der Leser zum Schluß, das es sich doch ein preußischer Kürassier-Offizierdegen in besonderer Ausführung handeln müßte. In der Tat sieht die Waffe, nimmt man den preußischen Adler einmal aus, dem Kürassier-Offizierdegen M 1880 sehr ähnlich. Wesentliche Merkmale, wie die in Endknöpfen endenden Seitenbügel, das schalenförmige Stichblatt und die Griffkappe mit ihren mehrfachen Einzügen sind quasi identisch. Andererseits ist da der Adler, der zwischem äußerem und innerem Seitenbügel steht (oder fliegt). Dieses Detail unterscheidet eben den Degen von dem bekannten Modell der preußischen Kürassieroffiziere.

Stallmeister-Degen

In keiner preußischen Kürassier-Regimentsgeschichte wird eine solch' ausgefallene Waffe erwähnt, geschweige denn im Bild gezeigt. Deshalb muß die Lösung in einem anderen Bereich zu finden sein. In einer Beschreibung der Uniformen des Oberstallmeisters, des Landstallmeisters, der Stallmeister und der Bereiter am königlich Preußischen Marstall (um 1897) findet sich zur deren Blankwaffe und der dazu gehörigen Tragevorrichtung folgende Bestimmung: "Kürassier-Pallasch, im Gefäß ein fliegender Adler, mit Goldkoppel ...". (Der Begriff "Kürassier-Pallasch" ist hier mit dem des "Kürassier-Degens" gleich zu setzen.) Diese Beschreibung gestattet eine Zuordnung als Blankwaffe für Staatsbedienstete. Allen Inhabern der vorstehend aufgezählten Hofämter war übrigens dieses Modell zugestanden.

Der Marstall, früher ein größerer, meist fürstlicher Wirtschaftsbetrieb, der den Bedarf an Dienstpferden und Ausrüstung zu decken hatte, wird in alten Urkunden schon in der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts erwähnt. Ihm stand ein Stallmeister, früher als Marstaller oder auch als Marschall bezeichnet, vor. Je nach Stellung der Fürstlichkeit war auch die Stellung Marstallers entsprechend hoch besetzt. So bekleidete beispielsweise im Mittelalter der Kurfürst von Sachsen beim deutschen Kaiser das Amt des Reichserzmarschalles.

Reischach In der Regierungszeit Kaiser Wilhelms II.  wurde Freiherr Hugo von Reischach, ein sehr geschickter, als einer der besten Pferdekenner in Europa bekannter Mann, die Position des Oberstallmeisters übertragen. Er  brachte den Königlichen Marstall auf eine in Deutschland bis dahin unbekannte Höhe, wie Sir Frederick Ponsoby, der die Briefe der Kaiserin Friedrich herausgegeben hat, uns in diesem Werk zu berichten weiß.

Auf dem nebenstehenden Bild ist ein Leibstallmeister Kaiser Wilhelms II. zu sehen. Möglicherweise handelt es sich um Hugo von Reischach vor seiner Ernennung zum Oberstallmeister. Der Fotografierte trägt den sogenannten Interims-Anzug. Der besteht aus einem dreieckigen Hut, einem blauen Überrock mit rotem Kragen, breiten goldenen Achselstücken mit Namens-Chiffre des Kaisers mit Krone (in Silber) und einer weißen Hose. Zu den Achselstücken trägt er an der rechten Schulter - ungewöhnlicher Weise - eine Achselschnur, die sonst beim Gala-Anzug vorgesehen ist. Lupe-Degen Ferner  gehören Stiefel und weiße Handschuhe zu dem Anzug. Der hier interessierende Kürassier-Degen ist leider an entscheidender Stelle verdeckt, doch läßt sich der Adler (auf der rechts gezeigten Vergrößerung) erahnen.

Vielleicht besitzt einer der Leser ein ähnliches Foto, auf dem die Blankwaffe besser zu sehen ist, und das er für eine Veröffentlichung zur Verfügung stellen kann. Auch Hinweise, wo ein besseres Bild bereits veröffentlicht ist, sind willkommen.



















Start